Schriften von Abbé Berto

Berufung

„Seit dieser Christnacht von 1914…“

Es war während der Christmette, 22 Jahre wird es gleich her sein, dass der Liebe Jesus mich berufen hat. Ich war gerade 14 Jahre alt: Welch eine Erinnerung!

Es geschah im Moment der Kommunion: Als der Priester sich mit dem Ziborium zu den Gläubigen umgewandt hat, habe ich in einem Augenblick mit blitzartiger Sicherheit erkannt, dass ich zum Priestertum bestimmt war. Sicher, nach bald elf Jahren Priestertum habe ich genug Beweise, auf dem richtigen Weg zu sein! Nun ja! Ich kann nicht sagen, dass ich es heute Abend besser weiß als an jenem Abend. Nichts kann diese göttliche Klarheit ausdrücken. Im ersten Moment war ich eher überrascht als gezähmt. Denken Sie, dass ich wie viele Gymnasiasten meines Alters fast keinen Glauben hatte, dass ich nie das Wort an einen Priester gerichtet hatte (außerhalb meiner Beichten, die sehr sporadisch und sehr kurz waren); dass mir niemals auch nur im Geringsten die Idee einer Berufung in den Sinn gekommen war. Es kam ganz plötzlich: In einer Sekunde hat sich buchstäblich mein ganzes Leben entschieden. Ich kann sagen, dass ich geschnappt wurde, dass ich blitzschnell von einem Extrem zum anderen gegangen bin. O Herr Jesus, sei ewig gepriesen!

In der Gegenwart von X, die du mir anvertraut hast und für die ich eines Tages vor deinem Gericht Rechenschaft ablegen muss wie für ein heiliges Gut, erneuere ich heute Abend meine Verpflichtungen: alles, was du für mich bereitet hast, alles nehme ich an, Freud und Leid, Schmerzen und Jubel, Arbeit und Ruh, alles, wie es dir gefällt, für dich, Herr Jesus, und in dir.

Was Sie betrifft, mache ich Sie zur Zeugin für diese Verpflichtungen. Möge Ihr Zeugnis mir günstig sein an meinem letzten Tag. Erinnern Sie sich daran, dass Gott mich für Sie bereitet hat, als Sie noch nicht geboren waren und als Sie erst in seinem ewigen Gedanken existierten. Von dieser Christnacht 1914 an hat der Liebe Jesus mich gelehrt, für die Seelen zu beten, die mir eines Tages anvertraut werden sollten.

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 51

Seminarist in Rom

An Bischof Gouraud von Vannes
„In diesem geliebten Haus“

Rom
Die Fassade des französischen Seminars

Rom, Französisches Seminar, 28. Dezember 1925

Exzellenz,

zum letzten Mal werden die guten Wünsche, die ich Eurer Exzellenz zu Beginn des Neuen Jahres wie ein Sohn darbringe, in Rom formuliert, in diesem geliebten Haus, wo ich die Zeit meiner Klerikerausbildung verbracht habe. Diese Worte „zum letzten Mal“ kommen mir am Abend jedes außergewöhnlichen Tages unseres Seminarlebens über die Lippen und lassen mich hier keine vollkommene Freude mehr finden. Ich habe dieses Haus zu sehr geliebt, wenn das möglich ist, und weiß nicht, wie ich weggehen soll; außer wenn ich mich einerseits dazu bringe, mich Tag für Tag etwas loszulösen, und andererseits meinen Blick fest auf die Bretagne richte; wenn ich nicht dem Ruf der Seelen lauschen würde, der von dort bis hierher zu mir dringt. Nach menschlichem Ermessen werde ich noch in diesem Jahr zum Priester geweiht und bekomme von Seiner Exzellenz einen Platz in der Diözese. In sechs Monaten, in sieben Monaten kommt der Moment, wo ich Ihnen wie der heilige Petrus zu unserem Herrn sage: In verbo tua laxabo rete (Auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen). Diese Nähe, dieses unmittelbare Bevorstehen des ersten Tages meines Amtes, was kann sie anderes bewirken, als meine Vorsätze des Gehorsams fester und allumfassender zu machen, glühender auch meine Wünsche für die Fruchtbarkeit und das Glück Ihres Pontifikats, da ja von ihm, wegen der göttlich vorgeschriebenen Einheit der Priester mit ihrem Bischof, die Fruchtbarkeit und das Glück unseres eigenen Priestertums abhängt?

Ich schließe mich also, Exzellenz, den Wünschen meiner Mitbrüder an, die im gleichen Umschlag zu Ihnen gelangen. Sie sind Zeugnis unserer Verehrung und kindlichen Liebe und wir erbieten sie gleichzeitig der Muttergottes und der heiligen Anna, die das besondere Patronat Ihrer Diözese hat; und wir vertrauen sehr darauf, im Himmel erhört zu werden, da wir für Eure Exzellenz erbitten, was sie selbst einzig wünscht: die notwendigen Gnaden, um die Diözese zu leiten.

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 58

Schulgeistlicher bei den Ursulinen in vannes

Die humanistische Bildung
An ein 14-jähriges Mädchen, die später eine der ersten Dominikanerinnen vom Heiligen Geist wird

14. Februar 1936

Das Studium ist Ihre Standespflicht. Seien Sie vor allem nicht passiv. Das hauptsächliche Ergebnis der Gymnasialbildung ist in meinen Augen die Freude an der Wahrheit, nicht mit offenem Mund angenommen, sondern aufgefunden oder wenigstens überprüft, überdacht, persönlich angeeignet. Ich habe Ihnen darüber unermesslich viele Dinge zu sagen, soweit Sie mir dazu die Gelegenheit geben.

Ich füge hinzu, dass man selbst in der Art zu lernen spontan und voller Initiative sein muss: Wenn sie von Ihren „Ausgewählten Texten“ nur das lesen, was man in der Schulstunde erklärt: wie viele Reichtümer verlieren Sie da! Wenn Sie Ihr Gedächtnis nur mit Texten füllen, die Sie lernen müssen: was für ein mageres Rüstzeug! In Französisch, Latein und Englisch müssen Sie von einem Ende bis zum anderen alles lesen, was Sie in die Hände bekommen. Stellen Sie sich vor, dass ich es in der achten Klasse (und ich war doch erst elf Jahre alt) unternommen habe, „Athalie“ (Tragödie von Jean Racine) vom Anfang bis zum Ende auswendig zu lernen. Um es mir zu merken, hatte ich mir eine Art Melodie erfunden, auf der ich meinen Racine sang. Na ja, und das erste Ergebnis war, dass ich so viel Gefallen fand an dieser Schlichtheit, diesem Maß, dieser Zurückhaltung der Klassiker, dass ich dadurch von der Krankheit der Romantik bewahrt wurde. Nicht einmal mit 14 oder 15 Jahren habe ich Lamartine oder Hugo über Racine (französische Schriftsteller) stellen können. Zu sehr spürte ich bei ihnen den unechten Lyrismus, das falsche Gefühl, die unerträglichste Fälschung von allen: die Fälschung der Aufrichtigkeit. Es gab andere gute Ergebnisse meiner Lernweise: mir eine Menge Texte zu merken (und dank ihrer eine Menge Ideen); meinem Gedächtnis die Arbeit zu erleichtern; mir Abscheu vor einer schlampigen Arbeit einzuflößen; das Bedürfnis, auf die Quellen zurückzugreifen und nur nach Beweisstücken zu urteilen; ich füge noch die so zarte Lust hinzu, unvoreingenommen alle Gattungen von Schönheit zu genießen. Hat man nur ein gesundes und festes Urteilsvermögen, dann kann man sich vorwagen. Manchmal geht man durch ein wenig chaotische Zeiten, aber man kommt sehr gut klar.

Man muss mit der Absicht lesen, sich alles zu merken, was man liest. Natürlich schafft man das nicht. Aber diese Absicht ist trotzdem sehr wirksam. Man behält immer wenigstens einige Brocken und vor allem verzehnfacht diese Gewohnheit die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit, zur einfachen Anstrengung bei dem, was man tut.

Füllen Sie sich den Kopf mit lateinischen Texten. Die Lesungen des Messbuchs sind hervorragend fürs Vokabular; aber für den Satzbau muss man viel von Cicero, Caesar, Titus Livius, Plinius dem Jüngeren usw. kennen.

Das gleiche gilt fürs Englische. Aber hier sind es vor allem Gedichte, die man lernen muss. Man muss es schaffen, jede Sprache, die man studiert, genießen zu können, und wenn man sie nicht gewohnheitsmäßig spricht, gibt es nur ein einziges Mittel: Auswendiglernen.

Das ist ein ganzes Programm. Aber ich verlange nicht von Ihnen, es an einem Tag in die Tat umzusetzen! Alles lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: geistige Aktivität.

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 98

Die Fraternität der Dominikanerinnen
„Unser Bischof hat gerade zugestimmt“

21. Januar 1943

Unser Bischof hat gerade zugestimmt, dass die Gruppe der Einzeltertiaren von Notre-Dame de Joie dem Orden des heiligen Dominikus als eine seiner weltlichen Fraternitäten angegliedert wird. Zur gleichen Zeit, zu der Sie Wachstum von diesem großen Orden bekommen, wächst er in Ihnen. Ach!

Möge er echt wachsen! Seien Sie in ihm und durch ihn im Schoß der einzigen Kirche lebendige und fleißige Zellen, ein Kern von Energie, übernatürlichem Verstand und Liebe.

Heute Abend richte ich mein ganzes Gebet an die Muttergottes, den heiligen Dominikus, den heiligen Thomas von Aquin, an die großen Heiligen des Ordens, damit Sie und die, die nach Ihnen kommen, niemals kümmerliche Sprösslinge, entartete Kinder des heiligen Dominikus seien, sondern seine ihm ähnelnde Nachkommenschaft, die man auf den ersten Augenblick erkennt. Dominikanerinnen der Jungfrau von der Freude, sollten Sie eine kleine Gruppe bleiben oder eine Menge werden, möge die Glorie Ihres Vaters, des heiligen Dominikus, und Ihrer Brüder und Schwestern im Himmel durch Sie immer neu leuchten.

Was mich betrifft, fühle ich heute Abend gleichzeitig mit der Dankbarkeit eine ungeheure Erleichterung. Sicher war ich bereit, wenn Gott es so bestimmt hätte, nicht nur die Demütigung eines scheinbaren Misserfolgs vor der Kirche länger zu ertragen (das ist wenig und übrigens ist die Demütigung zu wohltuend, um sich nicht daran zu freuen), sondern auch die schwere, beklemmende Furcht, Sie in eine Sackgasse geführt zu haben, Ihr Leben verfehlt zu haben (hier wiederum nur scheinbar, denn denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten und die Irrtümer selbst können richtige und große Schritte auf den alles übersteigenden Wegen der Liebe sein; aber schließlich sind jene Fortschritte sehr schmerzhaft und verlangen Heroismus). So lange schien alles vor uns versperrt! Wir mussten wider alle Hoffnung hoffen, aber nun steht ein Weg offen, ein breiter und sicherer Weg, latum mandatum tuum nimis, der gleichzeitig der enge Weg ist, wie der, den der heilige Dominikus nach den Worten des Evangeliums gebahnt hat, um zum Herrn zu gelangen. Wir sehen den Weg nur bis zur nächsten Biegung, das stimmt, aber Sie sind auf dem Weg, und dafür kann man danken, danken und noch einmal und ohne Ende danken. Der Rest wird sich zur rechten Zeit zeigen, jetzt hoffen wir gemäß der Hoffnung und es gibt einen bestimmten Grund zu hoffen. „Er, der das gute Werke an euch begonnen hat, wird es auch vollenden bis zum Tage Christi Jesu“. Denn „Gottes Gaben sind unwiderruflich“, das Wort, das er ausspricht, kehrt nicht zurück und fällt auch nicht unnütz zur Erde; und die erste Gnade ist für seine Güte eine Grund, eine weitere hinzuzufügen, wenn man ihr nur entspricht, und ich weiß, dass Sie alle dazu entschlossen sind.

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 155

Gründer von kinderheimen

An die Verwalterin von Notre-Dame de Joie – La Bousselaie
Die zehntausend Francs des heiligen Joseph

13. März 1938

Ein Brief von Fräulein Waquet informiert mich, dass die Sparkasse Lorient uns am Samstag eine Subvention von ZEHNTAUSEND FRANCS bewilligt hat!!!!!

Geben Sie zu, dass das nett ist, knien Sie sich hin, sagen Sie der Gottesmutter und dem heiligen Joseph danke und machen Sie dann Luftsprünge, soviel sie wollen.

Haben Sie damit gerechnet, Pfadfinderleiterin Georgette? Ich nicht. In einem kleinen Winkel meines Herzens stand in kleinerer Schrift geschrieben: fünftausend Francs. Und von Zeit zu Zeit, während eines noch kleineren Augenblicks als der Winkel und die Schriftzüge ließ ich fast verschämt den heiligen Joseph jene drei Wörter lesen; und schnell, schnell deckte ich sie wieder zu und wurde wegen meiner Verwegenheit rot. Ich bin schön hereingefallen! Und ich sehe wie mit meinen Augen, ich höre wie mit meinen Ohren den heiligen Joseph, der mich lächelnd aus seiner wunderbaren Glorie herab fragt, ob ich wirklich davon überzeugt bin, dass er die oberste Finanzverwaltung der Sparkassen innehat. Ein Tadel vom heiligen Joseph, auch wenn er von seinem Lächeln und zehntausend Francs begleitet wird, ist überhaupt nicht angenehm. Ich hoffe wirklich, liebes kleines Mädchen, dass Sie diese Unannehmlichkeit nicht bekommen und Sie sich im Gegenteil das Recht vorbehalten haben zu denken, dass er mehr hätte machen können. Seien wir wirklich sicher, dass er gegeben hat, was im Moment nötig war. Und seien wir auch sicher, dass er nach und nach geben wird, was wir brauchen.

Wie dem auch sei, ich fühle mich beschämt und von meiner Person peinlich berührt.

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 122

Das kinderheim notre-dame de joie

 

Der Tod von Joseph Ribouchon
An die ehemaligen Schüler von Notre-Dame de Joie

April 1950

Meine lieben Großen,

ich wende mich an euch am Palmsonntag, am ersten Tag der Woche, die par excellence die Heilige Woche ist, die Karwoche, und ich erinnere euch gemäß meines väterlichen Rechts und meiner väterlichen Pflicht vor allem an die Verpflichtung zur Osterkommunion.

Die Mehrheit der Christen – und ihr gehört sicher zu dieser Mehrheit – geht viel öfter als einmal pro Jahr zur Kommunion. Die Kirche will jedoch, dass man mindestens einmal in der Osterzeit kommuniziert, auch wenn man die schöne und edle Angewohnheit hat, die Kommunion häufig zu empfangen. Warum? Weil wir sonst den inneren Zusammenhang vergessen könnten, der zwischen der Hostie und dem Kreuz besteht. Unser Herr ist in der Hostie als Opfergabe, das heißt mit der Opferhaltung, die er am Kreuz hatte. Er kommt zu uns, um sie uns mitzuteilen, um uns „durch ihn und so wie er leben zu lassen, wie er durch seinen Vater und wie sein Vater lebt“, wie er es selbst im Evangelium sagt. Sich nicht zu gehören, von sich losgelöst zu sein, dem Vater mehr zu gefallen suchen als sich selbst zu gefallen, das hat er selbst getan „bis zum Tod und zum Tod am Kreuz“ und dazu will er uns bringen, indem er uns mit sich in der Eucharistie vereint, wo er so ist, wie er am Kreuz war. Es gibt also eine sehr enge Verbindung zwischen dem Kreuzesopfer und jeder Kommunion; und deswegen müssen wir genau zur Zeit, wo die Kirche feierlich das Andenken der Passion begeht, die Eucharistie empfangen, um durch die sakramentale Kommunion liturgisch unsere Zustimmung zum Willen des Vaters in seinem gekreuzigten Sohn zu erkennen.

„Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn.“ Dieses Wort des heiligen Paulus kommt so natürlich nach den Gedanken, die ich euch gerade unterbreitet habe. Meine lieben Großen, nun ist einer von euch berufen, den zweiten Teil davon zu verwirklichen. Euer ehemaliger Mitschüler, unser lieber Joseph Ribouchon, wird diesen Rundbrief nicht lesen. Er verbringt im Moment im Krankenhaus von Ploermel seine letzten Tage auf Erden. Er ist am Heiligabend dort eingeliefert worden, schon zu krank für eine Heilung, und er wird bald sterben. Am letzten Montag, den 27. März, habe ich ihn besucht, ich habe ihn sehr geschwächt gefunden, aber geistig noch ganz klar und vor allem voller Hingabe und Vertrauen auf Gott. Er hat mir selbst gesagt, dass er die Krankensalbung einige Tage zuvor empfangen habe und er hat hinzugefügt: „ Ich kann nicht weit gehen, aber ich bin lieber beim Lieben Gott als auf der Erde.“ Ich habe ihn an eurer Stelle geküsst, mit dem Kummer, den ihr erraten könnt, meine lieben Großen, aber auch mit einem unaussprechlichen Trost im Herzen. Ich wünsche euch allen, ich wünsche mir selbst die Gnade eines solchen Todes, so schön durch die Einfachheit des Glaubens und ganz erleuchtet durch die Hoffnung. Wie ihr hat Joseph hier die wunderbaren christlichen Wahrheiten gelernt, die zeigen, wie man gut lebt und gut stirbt. Möge unser gemeinsamer Kummer, möge unser gemeinsames Gebet uns ein Grund mehr sein, einander treu zu bleiben, treu auch allem, was die gebenedeite Jungfrau Notre-Dame de Joie uns erlaubt hat zu geben und euch zu empfangen; „Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn.“

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 187

Ein Publizist/Schriftsteller, der „Vater der Jugend“
An den Pfarrer und Dekan von M.

Den 30. Dezember 1956

Was die Freiheit betrifft, mit der ich sage, was ich denke… glaube ich, dass sie zuerst der Fülle des Glücks entspringt, mit der ich den Gehorsam der Kirche gegenüber lebe. Auf ein Zeichen des Heiligen Stuhls, auf ein Zeichen des Bischofs hin, dessen Gläubiger ich bin, würde ich meine Feder niederlegen…
mit der köstlichen Freude eines Kindes, das seine Mutter durch seinen Gehorsam erfreut…. Die Kirche weiß besser als ich, wie man ihr dienen soll, mein Urteil wiegt nichts im Vergleich zu ihrem und ich bleibe lieber untätig, wenn sie es so will, als außerhalb von ihr auf Sand zu bauen. In der Zwischenzeit spreche ich mit der Freiheit eines Kindes.

… Ich könnte nicht auf einen kanonischen Posten verzichten, ich wäre todtraurig ohne ihn, ich würde mich nicht mehr genug zur Kirche gehörig fühlen, ich hätte an nichts mehr Gefallen… Dort bin ich sicher zu tun, was die Kirche von mir will, dort ist mein Schatz und folglich nur dort mein Herz.

… Diese Rufe nach schlecht definierten „Autoritäten“ entsprechen weder der Struktur der Kirche noch können sie dazu dienen, eine Kontroverse zu beenden.

Von Beruf bin ich kein Publizist, ich bin, was der Kanoniker Timon-David einen „Vater der Jugend“ nannte. Zwanzig Jahre sind vergangen, seitdem ich das Haus eröffnet habe, wo ich verlassene Kinder aufnehme und erziehe. Ich lebe mitten unter ihnen und im Augenblick, wo ich Ihnen während des abendlichen Beisammenseins schreibe, habe ich neun in meinem Zimmer. Sie machen Krach, während sie auf die Komplet warten, die wir jeden Abend singen und an der die „Freiwilligen“ – immer zahlreicher, als ich akzeptiere, man muss anspruchsvoll sein – in ihren „Pueri-Cantores“-Alben teilnehmen. Ich versichere Ihnen, dass sie die Gregorianik nie satt haben! Diesen geliebten Kindern, deren Füße ich an jedem Gründonnerstag mit all meiner priesterlichen und väterlichen Zuneigung küsse, ihnen hat mein Bischof gewidmet, was ich an Kräften habe, dort ist mein geliebter Gehorsam, dort bin ich sicher zu tun, was die Kirche von mir will, dort ist mein Schatz und nur dort folglich mein Herz.

Briefwechsel Notre-Dame de Joie, S. 220

Einer der pueri cantores